Brain-Power

Eine meiner Lieblings- Anekdoten ist die von einem Wissenschaftler, der einen anderen zu Hause besucht und sieht, dass dieser ein Hufeisen über der Eingangstüre hängen hat. Der Besucher sagt erstaunt: Ich wusste gar nicht, dass du abergläubisch bist. Daraufhin antwortet der Besitzer des Hauses: Bin ich auch nicht. Aber das Hufeisen bringt auch Glück, wenn man nicht dran glaubt.

Mir geht es ähnlich. Ich glaube zu wissen, wovon meine Bilder handeln sollen, lege los, mit einem bestimmten Ziel vor Augen… Das Ergebnis ist aber nur selten das, was ich glaubte erreichen zu wollen. Verwirrend? Ein bisschen vielleicht. Ein guter Grund, sich mal umzuschauen.

Unser Glaube und die Erwartungshaltung spielen eine bedeutende Rolle, das wissen wir mittlerweile und beides ist Gegenstand zahlreicher Forschungen in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen. Unter anderem ist zur Zeit im Gespräch, ob man gezielt Placebos einsetzen sollte, anstelle von richtigen Medikamenten, um so deren Heilungseffekt zu nutzen, ohne Nebenwirkungen zu riskieren. Wie man ja bereits oft genug erforscht hat, kann man die Psyche mit einfachen Mitteln wie weißer Kittel, Farbe des Placebos, die Tatsache, dass man allein verspricht, dass gleich die Schmerzen aufhören etc. überlisten. Wohingegen z. B. Schmerzmittel, die einfach unangekündigt durch eine Infusion laufen, keinen besonderen Effekt haben, obwohl sie KEINE Placebos sind.

An dieser Stelle muss ich mich fragen, ob es nicht auch möglich wäre, jemandem künstlerische Fähigkeiten einzureden und zwar solange, bis derjenige sie tatsächlich zum Vorschein bringt. Stichwort: „Jeder Mensch ist ein Künstler…“  Was wäre also, wenn ein Kunststudent ständig Ermutigungen von seinem Professor bekommt, im Sinne:  „Du hast Talent und Power. Du brauchst dieses Studium gar nicht. Etc.“ Der Student schmeißt sein Studium und macht eine tolle internationale Karriere. Eines Tages begegnet er seinem Prof. und bedankt sich beim ihm, dafür, dass dieser sein Talent entdeckt und gefördert hat. Doch der Professor sagt: „Hör mal, du warst eine solche Nervensäge, ich hatte einfach keine Lust, noch ein paar Jahre mit dir zu arbeiten.“

Das gezielte Verabreichen von Placebos ist allerdings umstritten. Kritiker dieses Vorhabens weisen nämlich, zu Recht, auf einen ganz bestimmten negativen Effekt dieses Vorgehens hin: den Noceboeffekt. Dass der lebensgefährlich werden kann, beweist die Geschichte eines depressiven Mannes, der als Proband an einer Studie teilnahm, die ein neues Antidepressivum testen wollte. Der Mann bekam Placebos (das wusste er natürlich nicht). Zunächst ging es ihm auch tatsächlich besser, doch dann stritt er sich schlimm mit seiner Freundin und schluckte kurzerhand die restlichen 29 Placebo-Pillen, die er noch vorrätig hatte. Ein Nachbar brachte den Mann ins Krankenhaus, wo er kollabierte. Man verabreichte ihm vier Stunden lang eine Infusion. Nichts half. Erst als man herausfand, dass er Placebos geschluckt hatte und es ihm mitteilte, erholte der Mann sich schlagartig. Der große Clou dabei ist, dass die Symptome dieses Noceboeffekts nicht eingebildet sind, sondern auf reale biochemische Prozesse zurückgehen. Die eingebildete Wirkung hätte den Mann töten können. Unfassbar, oder?

Die Frage ist: Was passiert mit unserem Studenten, der von seinem Professor die „Wahrheit“ erfährt. Verliert er sein (eingebildetes) Talent oder seinen Erfolg oder kann ihm das zu diesem Zeitpunkt schon nichts mehr anhaben? Oder ist das alles sowieso relativ?

Des Weiteren weiß man seit Kurzem, dass allein das Betrachten von leckeren Speisen und Lebensmitteln, etwa in einem Kochbuch oder einer Zeitschrift und Werbungsanzeige, Hunger macht, weil in unserem Blut dann die Konzentration von Ghrelin (ein Eiweißhormon, das für unser Appetitempfinden zuständig ist) steigt. Deswegen sollte man auch nie einkaufen gehen, wenn man hungrig ist. Der Einkaufwagen ist dann nämlich am Ende doppelt so voll wie bei einem Einkauf, währenddessen man wohl gesättigt ist.

Was ich damit eigentlich sagen will: Unterschätzt niemals, welche Macht der Anblick bestimmter Dinge auf uns hat. Welche Wirkung wir mit unseren Bildern beim Betrachter erzielen können, wenn wir all diese Dinge bedenken. Erwartungshaltung, Glaube – das sind mächtige Instrumente, die uns zur Verfügung stehen und die wir beim Erschaffen unserer Kunst durchaus nutzen sollten. Es ist ok, sich zu überlegen, welchen Effekt wir erzielen möchten und dann daran zu arbeiten, dies auch zu bewerkstelligen. Mit Tricks und Finten. Alles ist erlaubt.

Wie gute Zauberkünstler, sollten auch wir uns der Wahrnehmungsmöglichkeiten bedienen und ihnen ab und an ein Schnippchen schlagen. In letzter Zeit tue ich das oft und gerne. Ob damit die Qualität meiner Arbeiten gestiegen ist? Keine Ahnung. Aber es macht trotzdem irgendwie ziemlich viel Spaß.

 

Bis bald — Ivan


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